Letzten Dienstag hatten wir uns im Bürgerhaus ganz gut verquatscht. Nicht, dass wir vom letzten Besuch der Verwandtschaft erzählten, nein, es ging darum wie wir uns weiterentwickeln sollen. Es ging darum ob wir weiter auf der bisherigen Schiene (Kundgebungen / Infoveranstaltungen) fahren oder ob wir uns breiter aufstellen. Es folgte eine gut geführte Diskussion zu den Vor- und Nachteilen der einzelnen Wege die wir dann nicht beenden konnten. Andere Tagesordnungspunkte drängte ebenfalls noch. Wir vertagten die Sache auf nächste Woche (also Morgen) und jeder sollte nochmals drüber nachdenken….
Dann holte Sven gestern Abend die große Textkeule raus und schrieb nochmals seine Gedanken in die große Facebook Gruppe. Ich werde das jetzt hier reinkopieren und es wird viel Text - aber bitte darüber nicht absterben - das ist eine wichtige Debatte...
Die Politik kann nicht mehr helfenEine Streitschrift über das weitere Handeln
Die Vernunft kann sich mit größerer Wucht dem Bösen entgegenstellen, wenn der Zorn ihr zur Hand geht. Papst Gregor der Große (der letzte zitierfähige Papst).
Liebe Flugroutengegner und –gegnerinnen,die Situation in der wir uns befinden, ist ernüchternd. Täglich lesen, sehen und hören wir, wie sehr uns der Flughafen in Schönefeld belasten wird, wie wir über Jahre getäuscht wurden und immer noch werden, wie unsere Appelle verhallen und ohne Folgen bleiben.
Wir haben viel versucht in den letzten Monaten und doch kommen wir keinen Schritt voran. Dabei hatten wir zunächst viele Leute erreicht, doch müssen wir uns auch ehrlich eingestehen: wir werden immer weniger.Die schiere Machtlosigkeit, das Verpuffen unsere Mühen ins Nichts, demotivieren und lassen uns Mitstreiter um Mitstreiter verlieren. Machen wir so weiter, werden auch wir am Ende entmutigt aufgeben. Dabei ist zunächst zu schauen, was genau wir da versucht haben: Zunächst wollten wir so viele Menschen wie möglich auf das Problem aufmerksam machen. Mit Plakaten und Stickern, mit Treffen und mit Internetblogs haben wir uns organisiert. Wenn die Menschen bei uns waren, haben wir sie aufgerufen, zu Kundgebungen oder zu Veranstaltungen zu kommen. Dort wollten wir mit der Politik in Kontakt kommen, unseren Ärger mitteilen und die Akteure zum Umdenken bewegen.
Mit Briefen, mit Unterschriften, mit direkten Gesprächen – stets war die Politik unser Ziel. Wir hatten Hoffnung, dass uns die Demokratie in diesem Land nicht im Stich lassen wird. Hundertausende Flugroutengegner sollten sich doch gegen ein paar Unternehmer durchsetzen können.Doch wir wurden enttäuscht (was ja eine vorhergehende Täuschung voraussetzt). Die Politik hat versagt. Wirtschaftlichkeit, also der maximale Profit, hat sich gegenüber dem Wunsch der Mehrheit durchgesetzt. Dabei sind wir keine linken Spinner und Revoluzzer. Der Großteil von uns sind Menschen, die immer ihre Steuern gezahlt haben, die einer Arbeit nachgegangen sind, die stets zu Wahlen gingen und die auch einfach mal gerne am Wochenende im Garten saßen und ein gutes Buch lasen. Die Demokratie in diesem Land hat immer dafür gesorgt, dass zwar nicht alle unsere Vorstellungen umgesetzt wurden, doch im Allgemeinen waren wir mit den Bedingungen einverstanden. Bis jetzt.Die Flugrouten haben uns gezeigt, dass etwas faul ist mit unserer Demokratie. Wir erleben Politiker, die unfähig sind, sich Fehler einzugestehen und die sehenden Auges lieber ins Unglück marschieren, als sich umstimmen zu lassen. Sie scheinen lieber mit dem Kopf durch die Wand gehen zu wollen. Doch gewinnt diesen Kampf am Ende nicht doch immer die Wand?
Doch das größte Übel an dem ganzen Komplex zeigt uns Stuttgart21: Hier wurde fast einer Revolution ähnlich nach Jahrzenten eine Regierung ausgetauscht vom rechts-konservativen zum links-liberalen Spektrum – und der Bahnhof kommt trotzdem, teurer als je angenommen. Nicht die Masse an Menschen, sondern die Finanzen von Lobbys scheinen die größte Macht zu besitzen.Die Politik scheint machtlos gegenüber dem Kapital, sie verwaltet und beschwichtigt. Sie ist Propaganda fürs Volk, verkauft mit Drohungen und Ängsten den Massen die Vorstellungen von Industrie und Großlobbyisten. „Wenn der Nachtflug nicht kommt, wird Schönefeld unwirtschaftlich und das sehr teuer für die Steuerzahler“, „Das sind Arbeitsplätze in Gefahr“, „Unsere Demokratie ist gefährdet, wenn Beschlüsse keine Verbindlichkeit mehr haben“. Dabei ist die Politik völlig machtlos, in Geiselhaft des Kapitals. Wir mussten lernen, dass über den Flughafen wie auch den Bahnhof nicht Wähler oder Politiker entscheiden, sondern das Kapital.Dabei sind es keine bösen Menschen, die den Flughafen betreiben, die Banken vorsitzen, die Lobbyarbeit betreiben. Sie alle tun nur das, was für sie den meisten Erfolg bringt. Würden sie nicht so handeln, hätten sie schlichtweg keinen Erfolg oder es täten einfach andere an ihrer Stelle. Dass sie sich derart über Demokratie und Politik hinwegsetzen können, liegt an dem Versagen unseres Systems.
Ich möchte mit dieser Streitschrift nicht zu einem anderen System aufrufen, sondern uns allen klar machen: Die Demokratie in unserem Staat, unser jetziges System ist gefährdet. Unsere Verfassung, unsere Rechte, sie werden aus den Angeln gehoben. Wenn wir gegen den Unsinn um die Flugrouten ankämpfen wollen, müssen wir uns erst unsere Demokratie wieder zurückerkämpfen, die Dinge selbst in die Hand nehmen.Doch unsere Gründerväter und –mütter haben in ihrer Klugheit für diesen Fall uns folgendes im Grundgesetz mitgegeben: „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. [...] Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“ (Art. 20 GG).Wie man erkennen kann, geht es nicht um autonome Gewaltfantasien, sondern das Grundrecht eines jeden Deutschen, wenn ich nun sage: Die Politik wird uns nicht helfen, wir müssen endlich selber Widerstand leisten!Für mich sind dabei aber zwei Dinge zu beachten: Wie soll dieser aussehen und was soll dessen greifbares Ziel sein?Letzteres ist relativ simpel zu erklären: Wir wollen keinen Fluglärm über Neuenhagen. Und wir brauchen Erfolgserlebnisse.
Viele, die wir zunächst für unsere Bewegung gewinnen konnten, haben frustriert aufgehört, sich zu engagieren. Dabei hatten wir zu Beginn eigentlich relativ schnell gute Erfolge vorzuweisen. Doch nun müssen wir einen Schritt weitergehen. Wir müssen sowohl den Interessierten als auch uns selbst endlich selbst Alternativen zu tun geben, um wirklich etwas zu bewegen.Wie es aussehen soll: Man wird erst auf uns reagieren, wenn wir etwas tun, was nichts mit Reden, Schreiben oder Zuhören zu tun hat – wir müssen raus aus der Passivität. Dabei sollte uns auch nicht aufhalten, dass andere ebenfalls noch in der Passivität verharren. „Wo kämen wir hin, wenn jeder sagte, wo kämen wir hin und keiner ginge, um zu sehen, wohin wir kämen, wenn wir gingen?“, fragte der Schweizer Kurt Marti da einst sehr passend.Ich glaube fest daran, dass wir wieder mehr Menschen mobilisieren können, wenn wir endlich etwas tun und aus der Passivität erwachen. Ich möchte damit nicht das bisherige Engagement schmälern – es war bitter nötig und auch wahnsinnig kraftraubend. Aber es darf nicht umsonst gewesen sein. Also muss jetzt etwas neues Folgen.
Ich habe vorhin angesprochen, woher wir eigentlich kommen. Niemand von uns hatte je vor, je gegen den Staat und seinen Entscheidungen wirklichen Widerstand zu leisten. Doch nun müssen wir. Dafür brauchen wir aber Mut, Kraft und Erfolge. Wir brauchen eine eskalierende Kampagne. Wir brauchen das Schrittweise heranführen. Wir müssen den Machthabenden zeigen, dass wir es ernst meinen und dass wir im Kleinen beginnen, aber nicht aufhören, bevor unser Ziel nicht erreicht ist. Wichtig ist, dass wir dabei friedlich bleiben. Wir dürfen nichts zerstören oder uns anderweitig strafbar machen. Es geht um Methoden des zivilen Ungehorsams. Dazu kann es verschiedene Methoden geben:Straßenbesetzung: Anfangen sollte es bei uns im Ort. Die Lokalpresse sollte es wert sein, darüber zu berichten, wie wir bspw. die Hauptstraße für einige Minuten besetzten. Dabei sollte die Botschaft immer sein: Wir meinen es ernst. Wir hören erst auf, wenn unser Ziel erreicht ist. Wir kommen wieder. Erwartungsgemäß wird das auch nötig sein müssen. So sollten wir darauf überlegen entweder eine größere Straße (B1/5) zu wählen oder einfach länger die Hauptstraße zu besetzen. Darauf folgend ist auch die Autobahn möglich (zweimal drei Autos fahren jeweils nebeneinander auf den beiden Seiten und bringen den Verkehr langsam bremsend zum Stehen, dann gehen die Protestler auf die Straße => in Hessen hat das die Studiengebühren abgeschafft!!).
Denkbar sind auch Straßen in Potsdam oder die Zufahrt zur Baustelle Schönefeld. Wichtig sind dabei nur zwei Dinge: Wir müssen friedlich bleiben und wir müssen von Aktion zu Aktion immer mehr werden (wovon ich überzeugt bin, dass es so kommen wird).Bahnbestreikung: Anfangen könnte man mit einer kurzen Bestreikung der S5. Die Verzögerung wirkt sich auf das gesamte Netz in Berlin aus und wird die Frage stellen „Was war da los?“. Ähnlich wie beim Streik der Lokführer wird es zwar einige geben, die einfach nur sauer weil zu spät sind, aber es wird viele Sympathisanten und eventuell gar neue Mitstreiter geben. Als nächstes wäre die S9 nach Schönefeld oder der Regio von Interesse, vllt auch der Bahnhof in Schönefeld.Streik im Flughafen statt davor: Erst vor kurzem wurde gerichtlich bestätigt, dass man sogar in Flughäfen demonstrieren darf, die zwar von privaten Unternehmen geleitet werden, aber dessen Anteile mehrheitlich dem Bund gehören (es ging da um eine Demo gegen Abschiebungen in Frankfurt/Main).
Wir sollten davon Gebrauch machen, sowohl im alten Schönefeld, als auch im Neuen (nach der Eröffnung, denn ich gehe davon aus, das wir uns noch etwas länger mit dem Routenblödsinn auseinandersetzen müssen). Man muss eins aus den Erfahrungen wissen: Ab einer gewissen Größe räumt keine Polizei der Welt eine Demo. Bspw. ab etwa 1000-2000 Menschen auf Plätzen wird generell nicht mehr geräumt, der Aufwand wäre zu groß und die Bilder zu brutal. Solange wir friedlich bleiben, haben wir uns nichts vorzuwerfen. Flughäfen sind öffentlich und man wird sich ja wohl mal hinsetzen dürfen. Ziviler Ungehorsam.Was aus dieser Bewegung dann folgt, wie sich die Dinge entwickeln wie sie eskalieren, das wird sich zeigen. Jede Aktion sollte uns Mut für mehr machen. irgendwann müssen sie reagieren. Es geht darum, dass einer anfangen muss und dass wir an uns glauben müssen.Nun kann man mir sicher auch den Vogel zeigen und von alledem nichts halten. Man kann auch weiter alle Hoffnung auf die Politik setzen. Ich sage aber: Habt Hoffnung nur in euch selbst! Es wird nur etwas geschehen, wenn wir auch etwas tun. Lasst uns ganz klein beginnen, lasst uns Mut bekommen. Lasst es uns probieren und drüber reden, wie wir uns dabei fühlen. lasst uns nur das machen, wofür wir uns bereit fühlen. Aber lasst uns vor allem endlich anfangen, wirklich etwas zu bewegen.
Sven
Noch jemand hier? Ich hoffe! Also, das muss man erst einmal verdauen und in Ruhe durchdenken. Letzten Dienstag war ich noch nicht so sicher ob die Menschen bereit dafür sind. Heute sehe ich die Sache anders. Gerade nach der heutigen Abfuhr der Fluglärmkommission werden viele von Euch die Ohnmacht ebenso spüren wie wir. Kommen wir mit weiteren Veranstaltungen wie Kundgebungen und Menschenketten weiter? Was könnte die Ganze Sache überhaupt in unserem Sinne beeinflussen? Antworten hat so richtig niemand darauf - alles was wir sagen kann verpuffen oder auch nicht. Die Politik hat sich in der Tat bisher als Beratungsresistent erwiesen. Forderungen von uns und von anderen BIs werden bewusst ignoriert oder abgelehnt (Nachtflugverbot) und es werden alle möglichen Interessen bedient aber nicht die unseren. Denkt drüber nach und und kommt morgen reichlich ins Bürgerhaus….
Nehmen wir die Faust aus der Tasche und hauen wir auf den Tisch…
Was haben wir zu verlieren ?
Wie meinte einst Bertolt Brecht? Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht! Ich sehe das ähnlich wie Sven. Die politik ist anscheinend nicht zu Selbstreflektion und -kritik in der Lage. Genausowenig, wie sich für das Wohl der Bürger einzusetzen. Kapital über Alles!
AntwortenLöschenAlso muss man andere (friedliche) Wege finden, Protest auszuüben. Nach und nach muss der Druck erhöht werden. Man erinnere sich an den Streik der Lokführer. Sicherlich war man angenervt von Verspätungen und Behinderungen in Eiseskälte. Aber man sympatisierte sich eher mit den Streikenden und schimpfte auf die Bahn. Ich denke,d as wird in unserem Falle ähnlich sein.