Donnerstag, 15. September 2011

Drucksache 17/6942

Es gibt relativ neu eine große Anfrage der Partei: die Linke zum Thema BER. Darin enthalten sind über 60 Fragen zum Thema auf dessen Antwort man gespannt sein darf. Mir persönlich hat aber auch die Einleitung sehr gut gefallen, so dass ich die hier einfach mal 'abdrucke'…

Der Flugverkehr ist unter den motorisierten Verkehrsarten diejenige mit den höchsten Wachstumsraten. Weltweit gab es zwischen 1990 und 2010 eine Stei- gerung des Flugverkehrs um das Zweieinhalbfache. Rund 40


Prozent dieses Weltflugverkehrs erfolgt über kurze und mittlere Distanzen („regionaler Flug- verkehr“, womit Flugverkehre innerhalb der USA, innerhalb Europas usw. ge- meint sind). Auf deutschem Boden gab es 1975 (Bundesrepublik und DDR) 30 Millionen Fluggäste. 2008 waren es mit 130 Millionen Fluggästen gut vier Mal mehr.
Auch der reine Inlandsflugverkehr weist hohe Wachstumsraten auf. 1980 wur- den in (West-)Deutschland 8,7 Millionen Inlandsflüge (mit vier Milliarden Per- sonenkilometern) zurückgelegt. 2008 waren es in der Bundesrepublik Deutsch- land mit 18,2 Millionen Flügen gut doppelt so viele Flüge mit einer fast dreimal größeren Leistung. Dies steht in deutlichem Kontrast zum Schienenpersonen- fernverkehr, der in Deutschland seit 1993 stagniert. Die Folge ist ein schnell stei- gender Anteil des Flugverkehrs an der gesamten (inländischen) Personenver- kehrsleistung. 1991 lag der Anteil des Flugverkehrs an der Binnenverkehrsleis- tung bei 2,6 Prozent, 2008 waren es bereits 5,6 Prozent.
Die meisten Prognosen – so diejenigen der Flugzeugindustrie – gehen von einer weiteren Verdopplung des Flugverkehrs im Zeitraum 2010 bis 2025 aus. Dabei soll das Wachstum des „regionalen“ Flugverkehrs überproportional sein. Für diese Perspektive werden neue Flughäfen und neue Start- und Landebahnen ge- baut.
Die Steigerung des Flugverkehrs hängt in erheblichem Maß mit den niedrigen und im Verlauf der letzten zwei Jahrzehnte deutlich gesunkenen Ticketpreisen zusammen. Diese wiederum sind Ergebnis einer umfassenden Subventionierung des Flugverkehrs (in Form von staatlich getragenen Verlusten vieler Airports, der staatlich finanzierten Infrastruktur, der Steuerfreiheit bei Kerosin, der hohen staatlichen Zuschüsse für die Flugzeugbauer Boeing, EADS/Airbus).
Der Flugverkehr entwickelt sich zunehmend zu einem Faktor, der die gesetzten Klimaziele torpediert. So konnten in der EU im Zeitraum 1990 bis 2008 die Ge- samtemissionen der Treibhausgase bei Ausklammerung des Transportsektors weitgehend stabil gehalten werden. Deutlich angestiegen sind in diesem Zeit- raum jedoch die Treibhausgas-Emissionen des Transportsektors. Dabei stiegen innerhalb des Transportsektors die dem Flugverkehr zugeschriebenen Emissio- nen um 80 Prozent, diejenigen des Straßenverkehrs um 25 Prozent. Die Treibhausgas-Emissionen des Schienenverkehrs hingegen konnten im gleichen Zeit- raum um 50 Prozent reduziert werden.Der Flugverkehr hat erhebliche negative Folgen für das Wohlbefinden und die Gesundheit vieler Menschen. In Deutschland klagen bereits vier Millionen Bür- gerinnen und Bürger über „äußerst starke Belästigung“ und über „starke Störung und Belästigung“ durch Fluglärm; weitere 7,2 Millionen fühlen sich durch Flug- lärm „mittelmäßig gestört“. Eine umfangreiche, durch den Epidemiologen Prof. Eberhard Greiser durchgeführte Studie im Großraum Köln, bei der Daten von mehr als einer Million Versicherter ausgewertet wurden, zeigte, dass die ge- sundheitlichen Folgen des Fluglärms von einem Dauerschallpegel von 40 dB(A) an linear steigen. Fluglärm wird in dieser Studie als mitverantwortlich für Schlafstörungen, Herz-Kreislauferkrankungen bis hin zu Krebserkrankungen gesehen (www.umweltbundesamt.de).
In der Koalitionsvereinbarung zwischen CDU, /CSU und FDP heißt es: „Neben einer Kapazitätsentwicklung der Flughäfen werden wir insbesondere interna- tional wettbewerbsfähige Betriebszeiten sicherstellen. Die dazu erforderliche Präzisierung im Luftverkehrsgesetz soll eine gleichberechtigte und konsequente Nachhaltigkeitsabwägung von wirtschaftlichen, betrieblichen und dem Lärm- schutz geschuldeten Erfordernissen auch bei Nachtflügen sicherstellen.“ In die- sem Sinn will die Bundesregierung das Luftverkehrsgesetz (LuftVG) so ändern, dass Nachtflugverbote faktisch aufgehoben werden bzw. dass die – von den Menschen vielerorts als unzureichend empfundenen – Nachtflugbeschränkun- gen an deutschen Flughäfen deutlich reduziert werden können.
Nach vielfältigen Auseinandersetzungen zwischen den Flughafenbetreibern in München, Frankfurt/Main und Halle/Leipzig mit den örtlichen Bürgerinitiativen für Nachtflugverbote in diesen Regionen gibt es seit Herbst 2010 eine weitere Auseinandersetzung zum Thema Fluglärm und Nachtflugverbot, aber auch um den Vertrauensschutz, den Bürgerinnen und Bürger genießen sollten. Der für den Flughafen Berlin Brandenburg (BER) gültige Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 ging von Flugroutenplanungen aus, die sich nur unwesentlich von den für den Flughafen Berlin Schönefeld (SXF) bisher gültigen Flugrouten mit Geradeausstarts unterschieden. In der Sitzung der Fluglärmkommission am 6. September 2010 wurden hingegen von der Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS) davon deutlich abweichende Flugrouten für den BER präsentiert. Viele der von den veränderten Flugrouten potenziell betroffenen Städte und Gemein- den waren nicht in das Planfeststellungsverfahren für den BER einbezogen, ob- wohl sie nach zwischenzeitlichen Planungen inmitten der Flugkorridore lagen. In der Folge gründete sich eine Vielzahl von Bürgerinitiativen in den betroffenen Städten und Gemeinden.
In der abschließenden Sitzung der Fluglärmkommission am 4. Juli 2011 präsen- tiertedieDFSdaraufhineinenneuenVorschlagmitnocheinmaldeutlichverän- derten Flugrouten, durch die wieder andere Städte und Gemeinden betroffen wä- ren. Viele von ihnen waren ebenfalls nicht in das Planfeststellungsverfahren eingebunden und sind nicht einmal in der Fluglärmkommission repräsentiert. NachAngabenderDFSwärenvondenneuenFlugrouten619000Menschenin Berlin und Brandenburg als „Neubetroffene“ verstärktem Lärm ausgesetzt. Auch hier gründeten sich in der Folge neue Bürgerinitiativen. Seitdem gibt es insbesondere in der Müggelsee-Region mindestens wöchentlich Demonstratio- nen. Diese gipfelten am 28. August 2011 in einer Menschenkette um den Müg- gelsee mit 24 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Für September 2011 sind weitere Großdemonstrationen geplant. Endgültig festgesetzt werden Flugrouten durch das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) im Benehmen mit dem Umweltbundesamt (UBA) in Form einer Rechtsverordnung. 


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